American Express Business Platinum

Meine primäre Kreditkarte ist eine "American Express Business Platinum" für geschmeidige 700 Euro Grundgebühr. Das ist alles andere als wenig. Und trotzdem behaupten einige Reiseblogs, dass man mit der Karte regelrecht Geld verdienen kann und man quasi dumm wäre, sie nicht zu nehmen.

Ich versuche es mal mit einer nüchternen Betrachtungsweise. Und zwar eine ohne Kunden-werben-Kunden-Provision, falls sich jemand nach diesem Beitrag entscheidet, dass er die auch haben will. 

 

Erste Disziplin: Zahlungsmittel

Eine Kreditkarte ist in erster Linie mal ein Zahlungsmittel. Und da muss ich (leider) sagen, obwohl das die Hauptdisziplin ist, punktet sie wenig. Die Akzeptanz wird zunehmend besser, aber man kommt in den meisten Ländern nicht drum herum, eine MasterCard oder VISA als Backup dabei zu haben. 

Und wenn AMEX nicht akzeptiert wird, dann sieht man das leider nicht direkt beim Reingehen (auch ein "American Express Cards welcome"-Aufkleber aus den 90ern an der Tür heißt nix). Und ganz oft ist das auch nicht mit einem Satz beim Bezahlen geklärt. Sondern oft ist das eine aufwendige Choreographie aus Dranhalten, Reinstecken, Durchziehen, Magnetstreifen am Ärmel abwischen und wieder von vorne beginnen (ehe das Terminal eine Fehlermeldung wirft, bei der man dann nur vermuten kann, dass es die fehlende Akzeptanz ist). Oder noch nerviger: Es ist mit Kommentaren des Händlers verbunden, wie teuer AMEX doch angeblich sei, 7%, sieben (SIEBEN!) Prozent, usw. ... beides rückt den Bezahlvorgang bei einem Geschäftsessen unangenehm in den Vordergrund.

Und dann ist da noch die finanzielle Freiheit, dass die Karte kein Kreditlimit kennt. Ich könnte, wenn ich heute mein Traumauto sehe, es direkt mit der Karte bezahlen und losfahren. Also klar, wenn der Händler AMEX überhaupt akzeptiert. Und dann auch nicht mit großzügigem Rabatt bei Barzahlung versucht, die KK-Gebühren zu sparen. Und wenn mein Traumauto überhaupt vorrätig wäre. Ich bezahle mit der Karte keine Neuwagen, sondern so einmal im Jahr eine ähnliche Summe für DELL-Server. Das klappt meistens, aber ... dazu komme ich später noch einmal.

Zweite Disziplin: Weiterer Liefer-/Leistungsumfang

Da gibt's wenig zu diskutieren: Man bekommt für das Geld eine ganze Menge "drumherum", so dass man die Grundgebühr der Karte - geschickt eingesetzt - locker wieder eingespielt bekommt:

Leistungsumfang

  • Erstmal bekommt man nicht eine Karte, sondern hundert. Ich selbst habe zwei (eine für private und eine für dienstliche Ausgaben mit getrennter Abrechnung). Für das private Abrechungskonto kann ich eine Zusatzkarte ausstellen (für meine Frau), und geschäftlich nochmal 99 Zusatzkarten für Mitarbeiter. Einerseits als Zahlungsmittel, andererseits aber greift auch der Versicherungsschutz (dazu gleich mehr) dann für alle. Und 700 Euro für eine quasi firmen-weite Versicherung ist alleine schon ein guter Preis.
  • Dann gibt's Lounge-Zugang am Flughafen. Lounges kenne ich aus einer früheren Vielfliegerkarriere, die gibt es in unterschiedlichen Qualitätsstufen (die wenigsten sind so, wie man sie aus dem Film UP IN THE AIR erwarten würde) und um dem wirklich einen monetären Gegenwert beizumessen, dafür fliege ich inzwischen zu wenig (weil ich auch bei Dienstreisen inzwischen aus Umweltgründen die Bahn bevorzuge). Aber: Man hat Zugang. Konkret in Frankfurt und München Zugang zu Lufthansa-Lounges (in Kombination mit einem Lufthansa-Flug, aber eben auch Economy ohne Vielflieger-Status), an ein paar wenigen Flughäfen gibt es direkte AMEX-Lounges, und meine Frau und ich haben je einen PriorityPass (sogar mit je einem Gast nutzbar), wo man an fast jeden Flughafen eine Cola bekommt. Verkehrt ist das nicht...
  • Und es gibt noch diverse Rabatte bei Hotels (i.d.R. Status-Match, mit dem man dann je nach Hotelkette irgendwas besseres für den Preis bekommt) und Autovermietungen (z.B. Hertz) 

Kickbacks

  • Membership rewards, also Umsatzbeteiligung (bei anderen Kreditkarten auch als "Meilen sammeln" bekannt) gibt's natürlich auch. Können viele andere günstigere Kreditkarten aber auch.
  • AMEX spendiert 200 Euro/Jahr Reiseguthaben für das AMEX-Preiseportal (quasi-Expedia), weitere 200 Euro/Jahr DELL-Guthaben (egal ob Consumer-Shop oder individuelle Server) und nochmal 10x 20 Euro SixtRide-Guthaben, dessen Gegenwert aber ist m.E. für die Tonne
  • Dazu gibt es noch die Offers, für jeden Kunden andere, die muss man als Coupon in der AMEX-App aktivieren und dann innerhalb des Aktionszentraumes einfach mit der Karte bezahlen. Da gibt's ganz viel, von "5 Euro bei 25 Euro Einkaufswert im lokalen Einzelhandel" über 50-Euro-Rabatte bei Hotelketten bis hin zu (selten) "10% Rabatt, max. 1000 Euro bei DELL"

Lifestyle-Service

Ebenfalls enthalten ist der Lifestyle-Service: Man hinterlegt seine Präferenzen für Essen, Hotel, Konzertkarten, ... und dann übernehmen die einem quasi die Recherche und Reservierung auf Reisen. Oder so. Ich kenne den Service noch aus der Hochphase der CeBIT vor 15 Jahren, wo wirklich mal "wir suchen für heute abend kurzfristig ein Restaurant in Hannover für 20 Leute" geklappt hat. Wow. 

Habe ich drei Mal genutzt, einmal mit gutem Ergebnis, einmal leider unbrauchbar (das wichtigste Kriterium "Barrierefreiheit" wurde einfach vergessen) und beim dritten Mal hatten sie dann (natürlich ohne Info an die Kunden) die Regeln geändert, für kurzfristige Recherchen bieten sie den Service gar nicht mehr an. Das ist so für mich absolut wertlos. 

Dritte Disziplin: Versicherungspaket

Kommen wir zum meines Erachtens wichtigsten Pluspunkt der Karte: Das Versicherungspaket. 

In der American Express Business Platinum ist so ziemlich alles enthalten, was man auf Reisen brauchen kann: Vollkasko für Mietwagen, Versicherungen gegen Gepäckverlust oder bei Verspätungen, Pannenhilfe, Reiserücktrittskostenversicherung. Auslands-KV. Und noch ein paar mehr.

Für mich. Für meine Frau (Zusatzkarteninhaberin). Für unsere Tochter (minderjährig im gleichen Haushalt). Und durch die 99 Zusatzkarten auch für MitarbeiterInnen samt teilweise LebenspartnerInnen. Egal ob dienstliche oder private Reisen, ohne Selbstbeteiligung, ohne dass man die Reise mit der AMEX bezahlt haben muss, ohne sonstige Fallstricke. Und bisher mit sehr positiven Erfahrungen: IT-Kleinkram kaufen nach Gepäckverspätung; zwei Mietwagenschäden; eine Hotelübernachtung bei einer Panne und bei einem Unfall eines Kollegen Hotelübernachtungen, Zugtickets für die nachgereiste Partnerin und Mietwagen für die Rückreise. Alleine durch die Versicherungen hätte sich die Kreditkarte schon über die letzten Jahre gelohnt.

Aber Achtung: Dieser Beitrag bezieht sich auf die "Business"-Version. Es gibt auch eine ähnlich teure private American Express Platinum, deren Leistungsumfang etwas anders ist und die vor allen Dingen auch andere Konditionen (greift m.W. nur bei Dingen, die mit der Karte bezahlt wurden) hat!

Vierte Disziplin: Service und Gesamteindruck

Die American Express Business Platinum ist aus Metall gefertigt - sie will also ein Premium-Produkt sein. Ich habe und behalte die Karte, weil sie effektiv fast nichts kostet (s.o.) und trotzdem ein sehr sehr gutes Versicherungspaket für die ganze Firma mit sich bringt. Aber sicherlich nicht, weil das Produkt selbst irgendwie "premium" wäre.

Verwirrung gehört zum Produkt dazu

Für 700 Euro Grundgebühr würde ich erwarten, dass das Produkt "rund" ist. Rund sieht bei AMEX wie folgt aus: Ich habe eine "American Express Platinum Business", und auf der dazugehörigen Zusatzkarte für Privatausgaben steht drauf: "American Express Platinum". Die hat auch ein etwas anderes Kartendesign.

Es gibt aber auch eine "American Express Platinum"-Kreditkarte, die man als Privatkunde beantragen kann und dann ebenfalls dieses etwas andere Design meiner Privat-Karte hat. Und bestellt man sich da die Zusatzkarte für geschäftliche Ausgaben dazu, steht da drauf "American Express Business Platinum" und sie sieht wiederum aus wie meine "American Express Business Platium"-Karte. 

Für die Leistungen ist aber in den meisten Fällen nicht relevant, wie die Karte aussieht, sondern wie sie laut Vertrag heißt. Schön und gut, aber: Die enthaltenen Leistungen, Offers, Guthaben usw. muss man sich sowieso schon in Form einer Schnitzeljagd zusammensuchen - manches erfährt man nur per E-Mail-Newsletter, dann gibt es noch ein Webportal, die "AMEX DE"-App und die "American Express Experiences"-App. Nicht jeder Produktbestandteil gilt auf jeder meiner Karten. Wenn man sich dann bei derartigen Aktionen noch nicht mal auf das abgebildete Kartenmotiv verlassen kann, wird es noch wirrer.

A pro pos wirr: Die 99 Zusatzkarten tragen den Aufdruck "American Express Business Gold". Die zu beantragen war zumindest früher (inzwischen haben sie es etwas klarer gemacht) ein Irrgarten: Der naheliegendste Klick auf "American Express Business Gold-Zusatzkarte beantragen" führte nämlich dazu, dass man eine solche als kostenpflichtigen neuen Vertrag bestellt hätte. Denn der richige Klick hätte lauten müssen: "American Express Business Platinum-Zusatzkarte beantragen" (die auch Geld kostet) und dann da als Ausführung "Goldene Zusatzkarte ohne Aufpreis" wählen. Logisch, oder? 

Produktbestandteile passen nicht zueinander

Auch das ist nicht Premium: In der Kreditkarte enthalten sind Rabattcodes für z.B. Hertz Autovermietung und Status-Programme für verschiedene Hotels. Bucht man aber über den ebenfalls zur Karte gehörenden Reiseservice (vielleicht auch, um das zur Karte gehörende Reiseguthaben einzulösen), kann man weder die Rabattcodes einsetzen (sondern zahlt mehr als nötig), noch kommt in den Genuss der Statusvorteile. Und auch z.B. die AMEX-eigenen Sonderangebote "FHR (Fine Hotel+Resort)" kann man i.d.R. nicht mit dem AMEX-eigenen Reiseguthaben kombinieren.

Freundlicher, aber inkompetenter Service

Über die o.g. Sachen kann man noch hinweg-lachen. Aber für 700 Euro Grundgebühr erwarte ich wenigstens guten Kundenservice. Und der ist bei AMEX, das kann man nicht anders sagen, in der Regel sehr freundlich. Aber auch sehr inkompetent.

Die "finanzielle Freiheit des fehlenden Kartenlimits" funktioniert z.B. nur so halb. Ich bezahle ab und zu mal bei DELL eine verglichen mit dem Rest der Umsätze ungewöhnlich große Summe. Und obwohl dieses Szenario mehrfach mit dem Kontenservice abgestimmt war (und auch eine ausreichend große Bonitätsanfrage an unsere Firmen-Hausbank gestellt wurde), muss man jedes Mal hoffen, dass es gut geht. Die Zahlung geht in der Regel durch, aber danach spielte schon mehrfach das AMEX-Sicherheitssystem verrückt und sperrte alle Karten sicherheitshalber - toll, wenn Mitarbeiter gerade auf Dienstreise sind.

Besonders clever: Hat man so ein Problem am Wochenende oder will sich abends nach dem Kundentermin drum kümmern oder befindet man sich in einer anderen Zeitzone, dann erreicht man dann auch die 24/7-Hotline nicht mehr. Der Sprachcomputer erkennt nach Eingabe der Kartennnummer nämlich das Problem und stellt einen zwingend zum Kontenservice durch (der sehr eingeschränkte Telefonzeiten hat).

Irgend ein Problem auf Reisen möchte man aber sowieso nicht haben. Bei einem Problem mit nicht verlängerten PriorityPass-Accounts (Flughafen-Lounges), weil AMEX vergessen hat, eine Adressänderung weiterzugeben, sah man sich nicht in der Lage, innerhalb von zwei Wochen bis zum Rückflug eine Lösung zu finden. Statt dessen hat man völlig unnötig neue Kreditkarten anfertigen lassen und an die alte(!) Anschrift geschickt. 

Dinge wie z.B. bei Kartenverlust auf Reisen eine Ersatzkarte per Express ins Hotel zu senden traue ich diesem Kundenservice genau gar nicht zu. (Dass das funktioniert, glaube ich bei anderen Kreditkarten auch nicht. Aber bei einem 700 Euro-Produkt ist meine Erwartungshaltung höher).

Long story short

Insgesamt bringt die American Express Platinum Business ein richtig gutes Versicherungspaket, Lounge-Zugang an Flughäfen und das ganze für effektiv fast kein Geld, wenn man die enthaltenen Benefits geschickt nutzt. Ich wüsste für mich keine andere Kreditkarte (oder Kombination aus anderen Produkten, z.B. Einzelversicherungen), die vom Leistungsumfang und Preis-/Leistungsverhältnis mithalten kann.

Ein Premium-Produkt ist die Karte selbst in meine Augen aber nicht, ich tendiere bei meiner Meinung über AMEX fast eher zum Begriff Saftladen.

Irgendwie am Ende doch ganz gut.

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