Becoming autark

Bereits Ende letzten Jahres habe ich die Stromversorgung unseres Haus "autark" gemacht. Für mich selbst war das mehr eine Spielerei, aber in Anbetracht von möglichen Gas-Mangellagen, Blackouts usw. wäre es für meine Firma leichtsinnig gewesen, nicht vorzusorgen.

Ausgangslage / warum ich keinen Speicher wollte

Auf unserem Hausdach waren 7.26 kWp Photovoltaik-Module (in Ost-West-Ausrichtung, also nicht alle gleichzeitig besonnt) verbaut, dazu ein SMA TriPower 6.0 Wechselrichter. Ich habe mich seinerzeit gegen den Speicher entschieden (der Solateur hatte mir einen SENEC mit 5 kW/h Kapazität angeboten), denn ein Speicher rechnet sich nicht.

Es gibt verschiedene Rechnungen (sie kommen alle zum gleichen Ergebnis: Das Speichern des eigenen Stroms ist teurer als diesen einzukaufen). Hier meine eher einfache Rechnung:

  • Annahme 1: Ich spekuliere mal, dass wir 200 Ladezyklen pro Jahr hinbekommen. Das heißt, an 200 Tagen im Jahr produzieren wir so viel Strom, dass ich nebenbei 5 kW/h in den Speicher abzweigen kann. Und auch in der Folgenacht auch diese 5 kW/h auch verbrauchen, damit der Akku morgens wieder leer ist. Diese 200 Ladezyklen sind schon sehr optimistisch gerechnet, denn gerade im Sommer sind wir oft ja auch im Urlaub, und da haben wir nachts gar keinen Standby-Verbrauch, mit dem man einen 5 kW/h-Akku leerbekommt. 
  • Annahme 2: Der Strompreis in etwa 7 Jahren (das ist in etwa die Hälfte der erwarteten Lebensdauer) bei etwa 50ct pro kW/h liegen. (Einfach den Preis zu nehmen, der in der Mitte der Lebensdauer gilt, ist mathematisch natürlich nicht genau genug, aber für meine Pi-mal-Daumen-Rechnung reicht das)
  • Jetzt rechnen wir mal: 5 kW/h Akku mal 200 Ladezyklen heißt, dass wir 1.000 kW/h pro Jahr mit Hilfe des Speichers vom Tag in die Nacht retten können. Davon ziehen wir 20% ab (Umwandlungsverluste), also 800 kW/h. 
  • Unser selbst produzierter Strom kostet uns knapp 8ct pro kW/h (die Herstellungskosten sind teurer, aber: Wenn ich den Strom nicht speichere, bekomme ich knapp 8Ct Einspeisevergütung). Dazu kommen in den ersten 7 Jahren die Umsatzsteuer auf den Marktpreis. Natürlich ist der Marktpreis in den ersten 7 Jahren ja auch noch nicht 50ct. Also sagen wir einfach mal, 19% von 40 Cent sind 7,6 Cent, und davon ja nur die Hälfte, weil wir ja nur in der ersten Hälfte unserer erwarteten Lebensdauer USt-pflichtig sind. Also knapp 4 Cent. Die packen wir auf die 8 Cent noch drauf, damit kostet unser Strom und 12 Cent pro kW/h. Das ziehen wir vom Marktpreis 50ct. ab, dann spart unser Speicher uns also 38 Cent pro kW/h Einkaufskosten.
  • Diese 38 Cent Ersparnis mal 800 kW/h gerechnet heißt, dass der Speicher also 304 Euro pro Jahr bringt. 
  • Damit hat das Ding einen ROI (Return on Invest) von 16,5 Jahren. Also erst im 17. Jahr verdienen wir damit Geld. Die Speicher haben aber üblicherweise gar nicht so lange Garantie (d.h. es gibt es Risiko, dass das Ding vorher kaputtgeht, bevor es seinen Kaufpreis eingespielt hat).
  • Dazu kommt, dass viele Speicher - u.a. auch der mir angebotene SENEC - "nach Hause telefonieren" und bei längerem Ausbleiben der Fernwartung den Betrieb einstellen. Wozu das führen kann, sieht man z.B. hier bei einer Bekannten von mir. Wenn der Hersteller aber nach 10, 15, selbst nach 17 Jahren pleite geht und niemand dessen Server weiter betreibt, dann wird der Speicher auch kein Geld verdienen können, weil er sich dann abschaltet. Da mir der Solateur nicht zusichern konnte, dass er dieses "nach Hause telefonieren" bei Bedarf abschalten kann, ist es rein aus strategischen Gründen für mich weggefallen.

Bereits damals war auch die Frage spannend, was Not- bzw. Ersatzstromversorgung kosten würde. Der SENEC-Speicher kann das nicht (bei Stromausfall sind sowohl der Wechselrichter, als auch der Speicher aus). Der Solateur hatte mir statt dessen ein E3/DC-Heimkraftwerk empfohlen, das aber bei >10.000 Euro für 6 kW/h Speicherkapazität. Das habe ich seinerzeit - obwohl es eine Betriebsausgabe hätte sein können - als nicht sinnvoll erachtet.

Warum ich dann doch einen Speicher wollte

Hinterher ist man ja immer schlauer. Wenige Tage nach der Beauftragung gab es die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und im Kreis Euskirchen (Verwandschaft), und mir wurde klar, dass Strom auch mal länger ausfallen kann. Ein halbes Jahr später ist bei Schwiegereltern der Strom länger ausgefallen, nachdem ein Traktor einen Hochspannungsmast zum Einsturz gebracht hat. Dann der Ukraine-Krieg.

Auf einmal wurde die Notwendigkeit anders, aber auch das Schutzziel anders. Meine Firma verdient u.a. mit Hilfsorganisationen ihr Geld - wir können es uns nicht leisten, bei einem tatsächlichen Blackout (oder "Brownout", wenn er nur einzelne Regionen betrifft) nicht arbeitstauglich zu sein. Aber wir reden in diesem Fall ja auch nicht von zwei Stunden, in denen mal der Strom ausfällt, sondern ggf. von mehr Zeit, die zu überbrücken ist.

Darum (und, weil ich die Technik cool finde. Und weil meine Firma eh nicht weiß, wohin mit ihrem Geld) fing ich an zu planen:

Der Solateur hat direkt abgewunken: Keine Kapazitäten, seitens E3/DC auch keine Lieferfähigkeit und bzgl. BYD-Akkus (siehe unten) auch keine zertifizierten Techniker. Er konnte mir also nichts anbieten.

Zuerst hatte ich mir Dinge wie z.B. EcoFlow DELTA 2 angeguckt, eine riesige Powerbank. Da gibt es ein smartes Gerät, mit dem man die Akku-Leistung auch in den Sicherungskasten einspeisen kann. Allerdings ist das dann entweder gebastel oder teuer, und es wären nur ausgewählte Stromkreise notstromversorgt (die dafür in USV-Umschaltgeschwindigkeit). Und vor allen Dingen ist der eingebaute Wechselrichter zu schwach für eine echte Dach-PV-Anlage, d.h. ich könnte nur den Akku leerfahren, aber nicht mit Sonne nachladen.

Dann bin ich als günstige Eigenbau-Lösung bei einem Vicron MultiPlus II-Wechselrichter (oder deren drei davon, um dreiphasig einzuspeisen) mit Pylontech LiFePO4-Akkus gelandet. Das System klingt super, und das ganze auf einer DC-Schiene zu montieren (d.h. PV-Module, Akkus und Wechselrichter sind alle per Gleichstrom verbunden, die Akkus ziehen oder liefern Gleichstrom je nach Anforderung, und der Wechselrichter speist diesen Gleichstrom (egal woher kommend) ins Hausnetz ein.

Haken: Zum Anschluss der PV-Module braucht man dann entsprechende Victron MPPT-Laderegler. Und da ist der größte erhältliche auf 450V ausgelegt, das ist in meinem Fall zu weing. Auf dem Dach sind zwei Strings (also zwei Kabelwege, in denen alle Module eines Strings in Reihe hängen, deren Leerlaufspannung sich dann addiert). Ich war irrtümlich von den Ist-Werten (die der TriPower angezeigt hat) ausgegangen, und damit würden zwei 450V-Laderegler reichen. Richtigerweise muss man aber die maximale Leerlaufspannug der Module (die bei niedrigen Temperaturen ganz anders aussieht als meine gemessenen Ist-Werte) nehmen, und da sind die 450V-Module zu klein dimensioniert. Ergebnis: Für diese Installation hätte man auf's Dach gemusst und die Verkabelung der Strings ändern.

Was es dann letztlich wurde

Zuletzt die etwas teurere, aber mit Abstand beste Variante:

  • Austausch des Wechselrichters gegen das recht neue Nachfolgemodell SMA TriPower 8.0 SE ("smart energy") mit eingebauter Not-/Ersatzstromversorgung. (Den hätte es auch als 6.0 kWp-Gerät gegeben - so war der vorherige Wechselrichter ja auch ausgelegt, es werden ja nie alle Module volle Leistung liefern, aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten habe ich den 8.0 genommen)
  • Dazu einen BYD-Speicher mit vier Speichermodulen (Lithium-Eisenphosphat-Akkus LiFePO4, das ist in Punkto Haltbarkeit, aber auch Sicherheit/Brandgefahr mit das beste, was man derzeit verbauen kann) und rund 10 kW/h Leistung. Die reicht dann auch, um längere Stromausfälle zu überbrücken (sofern man haushaltet, denn der TriPower lädt ja bei genügend Sonne auch nach)

Der TriPower hat einen Ausgang für Notstrom-Verbraucher. Ich will aber ja das ganze Haus versorgen - sonst muss man überlegen, was wichtig ist und was nicht. Und am Ende ist alles irgendwie wichtig, Heizung, Rolladen, Pumpensumpf-Pumpe, nichts davon ist komplett entbehrlich. Das ganze Haus regulär durch den TriPower laufen zu lassen, hätte ein paar Nachteile gehabt. Darum wird das Haus mit einem Umschalter versorgt, im Normalbetrieb versorgt die RheinEnergie die Unterverteilung ("den Sicherungskasten"). Aber im Stromausfallfall wird der Umschalter umgestellt, die Verbindung zur RheinEnergie getrennt und statt dessen die TriPower-Backupausgänge in die Unterversorgung eingespeist.

Für den Umschalter gab es drei Möglichkeiten:

  • Hager HIM406. Mechanischer Umschalter für um die 200 Euro. Nachteil: Ist aber auch nicht cool, wenn man im Stromausfall-Fall erstmal in den Keller muss (ohne dass auch nur eine einzige Lampe funktioniert)
  • China-Automatikumschalter für teilweise unter 100 Euro. Im Prinzip perfekt, aber die Aussagen (ein paar YouTuber haben solche Dinger mal auseinander genommen) reichen je nach Modell von Katastrophe bis "gar nicht so schlecht verarbeitet". Da die komplette Stromversorgung unseres Hausen da drüber läuft (und der ja auch unter Last umschalten muss) habe ich mich nicht getraut, so einen Schrott zu verbauen
  • Die Wahl für auf einen: ABB OTM63F4 Automatik-Umschalter für rund 800 Euro. Viel Geld (aber immer noch 30-50% unter dem, was ein automatischer Hager gekostet hätte), aber dafür ist es jetzt gescheit.

Installiert habe ich das mit einer befreundeten Elektrikerin (sie hat den Strom gemacht, ich die Konfiguration) alleine. Und es funktioniert. Beim simulierten Stromausfall wird es kurz eine Sekunde dunkel, dann macht es zweimal "Klack" (in der Lautstärke einer Schusswaffe), beim ersten Mal Klack dreht der Schalter auf die Nullstellung, beim zweiten Klack auf "Stromquelle 2" (=Wechselrichter/Akku) und nach Ablauf dieser Sekunde ist alles wieder da. Kommt der Außenstrom zurück, schaltet er genauso hart wieder um. Um eine USV für die IT kommen wir dabei natürlich nicht drum herum.

Folgende kleinere Stolperfallen gab es noch:

  • Beim BYD-Speicher gibt es ein "Wartungs-WLAN", mit dem sich die App zur Erstkonfiguration verbindet. Allerdings bridged das auf das Netzwerkkabel (d.h. jeder, der sich mit diesem WLAN und dem vom Hersteller vergebenen Standardpasswort verbindet, ist bei mir im Netz). Gefällt mir gar nicht, entsprechend ist das Kabel derzeit offline (bzw. würde der Speicher Netzwerk brauchen, dann würde ich entsprechende Regeln auf diesen Netzwerkport konfigurieren)
  • Der ABB-Schalter ist groß. Sehr groß. Ich bin bei "Hutschinen-Montage" davon ausgegangen, dass der so groß ist wie der Hager HIM (und der wiederum ist kaum größer als ein dreiphasiger Leitungsschutzschalter ("3er-Sicherung"). Pustekuchen, das Ding ist so breit und so tief alleine schon, dass es nicht mal in den neuen Zählerschrank gepasst hätte.
    Abhilfe: Bei der PV-Anlage wurde ein neuer Zählerschrank gesetzt (der alte spielt jetzt nur noch Unterverteilung, beherbergt also nur noch Sicherungen). Im alten Schrank ist daher viel Platz, vor vorher der Stromzähler war - dort, in 90° montiert, sitzt jetzt der ABB-Umschalter. Nicht schön, aber der Schrank ist ja zu.
  • Der TriPower lädt den Speicher immer dann, wenn zuviel Strom produziert ist. Aber solange der Eigenverbrauch und die Sonnenproduktion sich halbwegs die Waage halten, dann lädt er den Speicher nicht weiter auf (weil er ja zuerst den Eigenbedarf deckt). Und über die Tage verliert der Speicher so an Kapazität. Abhilfe: Einfach das SmartMeter (SMA Sunny Home Manager) vom Netzwerk trennen. Dann weiß der Wechselrichter nicht, wie viel wir gerade verbrauchen/einspeisen/übrig haben und dann greift die mögliche Voreinstellung "alles in den Akku"

Jetzt, wo sich die Blackout-Gefahr wieder etwas entspannt hat, werde ich den Wechselrichter auf vielleicht 60% "so viel Speicher für Ersatzstrom vorhalten" stellen, d.h. 4 kW/h können dafür verwendet werden, Tagesproduktion in die Nacht zu retten und Strom zu sparen. Bis eben lief er auf 90% "Ersatzstrom-Grenze", denn er wurde ja immerhin angeschafft, um im Zweifelsfall das Haus autark zu halten.

Ach ja, gekostet hat der Spaß rund 14.000 Euro netto. Gemessen an der Speichermenge (das damalige E3/DC-Angebot war ja nur mit einem 6 kW/h-Speicher) ist das nicht teurer als bei der damaligen Beauftragung (im Gegenteil, ich habe den alten Wechselrichter ja noch übrig und könnte den verkaufen). Da der Speicher ja nicht "zum Geldsparen" angeschafft wurde, sondern für Notfall-Arbeitsbereitschaft (dazu gehören im übrigen auch SIM-Karte mit Bevorrechtigung nach Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz für mobiles LTE und ein Starlink-Notfallkoffer für Sat-Internet), spielt die Summe am Ende keine Rolle: Bezahlt hat es meine Firma, denn der Schaden im Falle des Falles, wenn wir sowas nicht hätten, wäre teurer.

Feedback