Google Pixel Watch 2

Seit ein paar Monaten trage ich Googles Armbanduhren-Flaggschiff am Arm, die Pixel Watch 2 (okay stimmt nicht ganz, die Pixel Watch 3 ist zwar noch nicht erhältlich, aber schon vorgestellt). Ich habe sie in der teuersten Version mit LTE und ordentlich Speicher, und ich bin nicht so richtig überzeugt.

Wo komme ich her, wo will ich hin?

Meine erste Smartwatch war die "Pebble Time Steel" komplett in schwarz, damals noch über Umwege nach Deutschland geholt. Das E-Ink-Display war in jedem Winkel zu jeder Tageszeit gut lesbar (nachts kurz Handgelenk schütteln, dann geht die Beleuchtung an), und dank dieses Displays hatte die Uhr eine Akkulaufzeit von rund einer Woche - auf einer normalen Dienstreise habe ich nie ein Ladekabel mitgenommen.

Die Uhr hat zuverlässig die Notifications angezeigt, in der letzten Firmware konnte man auf WhatsApp- und SMS-Nachrichten sogar mit vorgegebenen Antworten reagieren - das reichte mir ehrlich gesagt völlig. Schrittzähler hatte sie wohl irgendwie nur über Umwege, aber dafür ich konnte runtastic auf der Uhr starten/stoppen und mir die Entfernung anzeigen lassen (die ganze Intelligenz kam vom Smartphone), dazu den Musikplayer samt Lautstärke steuern. Und in Kombination mit der "swim.com"-App konnte ich in meinem Schwimmbad "daheim" (im früheren Wohnhaus) auch die Zeit und Entfernung messen, man hat einmal eingestellt, wie lang das Becken ist, und die Uhr hat die Wendemanöver erkannt und gezählt.

Es gab natürlich auch viele Apps, die in der Idee gut klangen, aber in der Praxis versagt haben - ich erinnere mich an eine, die per GPS die umliegenden Stadtbahn-Haltestellen ermittelt, dann konnte ich eine auswählen und ich bekam die Anzeige, wann dort welche Bahn kommt, angezeigt. Tolle Idee, aber in 2 von 3 Fällen hat in der Praxis dann die Kommunikation mit der App auf dem Smartphone (für GPS und die eigentliche Recherche) nicht geklappt und ich musste doch zum Smartphone greifen.

Aber generell: Tolle Uhr, schade dass der Hersteller es nicht überlebt hat. Und schade auch, dass die Uhr es nicht überlebt hat, nach ein paar Jahren waren beide (ich hatte auf Garantie mal eine Ersatzuhr bekommen) kaputt, das Display zeigt 90% der Zeit nur Pixelmüll an, insbesondere bei höheren Temperaturen.

 

Der nächste Versuch war die Skagen Falster 2. Schöne Uhr, das filigrane Metallarmband, das mit einem Magneten gehalten (und darum stufenlos größenverstellbar war) war irgendwie cool. Leider nicht so ultra praktisch, einige stellen verhakten sich gerne im Stoff der Jacke oder so, und der magnetische Verschluss führte z.B. bei Arbeiten an einem 19"-Serverschrank schon mal öfter dazu, dass die Hand gegen den Willen an den Schrank gezogen wurde. Aber die Funktionalität war zufriedenstellend (die Akkuleistung "akzeptabel"), darum hatte ich mir bei der Pixel Watch jetzt auch keine Gedanken gemacht. Leider ist meine Falster mechanisch defekt und lässt sich nicht mehr aufladen. Und da das Wear OS ja eh schon was älter war, dachte ich, gönne ich mir mal quasi ein Nachfolgeprodukt.

Tolle fitbit-Integration

Ich habe mir im Vorfeld ein paar Tests und ein paar Influencer-Videos angeguckt, und immer wurde die Fitbit-Integration gelobt. War mir egal. Aber jetzt, wo ich sie sehe … ist find sie echt schwach.

Da wäre die "Bewegungserinnerung", zufällig jetzt gerade während ich diese Zeile tippe. Um mein Stundenziel zu erreichen. Ich will gar kein Stundenziel - man kann zwar eines konfigurieren, aber die Funktion nicht abschalten. Also erinnert mich die Uhr entweder kurz vor der vollen Stunde daran, dass es noch so und so viel Schritte sind bis zu meinem nicht gewünschten Ziel. Oder sie freut sich, dass ich es erreicht habe. Ich nutze die Uhr, um meinen Smartphone-Konsum zu reduzieren, lasse nur wenige ausgewählte Notifications zu, und wenn ich nicht per Vibration auf etwas hingewiesen werde, ist nix besonderes da und ich brauche auch nicht auf's Handy gucken. Das soll eigentlich Stress reduzieren. Wenn die blöde Uhr jetzt völlig grundlos wegen nicht abschaltbarer Funktionen vibriert und Aufmerksamkeit fordert, ist das kontraproduktiv.

Dann sind da die komischen Trainingsziele. Ich will derartige Funktionen eigentlich gar nicht benutzen, mir reicht Strecke/Zeit/Puls beim Laufen. Aber ich habe schon irgendwelche z.B. Pinguin-Abzeichen (soundsoviel Kilometer gelaufen) bekommen, die mich nicht interessieren. Und die auch nicht besonders zuverlässig gemessen worden zu sein (bei einem Abzeichen würde das bedeuten, dass ich eine Wochen lang >10km täglich zu Fuß zurückgelegt habe, das kann ich in der Woche definitiv ausschließen).

Und dann wäre da noch die Akkulaufzeit - und an der Stelle bin ich dann genervt von vielen Influencer-Videos, die die Fitbit-Integration loben, aber offenbar gar kein Sport treiben. Wenn ich die Uhr morgens zum Laufen anziehe und dann voll benutze (voll heißt: Einerseits Spotify mit einer offline verfügbaren Playlist, Bluetooth-Kopfhörer verbunden, Trainings-Tracking), dann ist der Akku nach einer Stunde Sport nur noch halbvoll. Ich muss sie dann also während des Duschens wieder an den Strom hängen, damit ich über den Tag komme. Und selbst dann wäre es nicht zuverlässig möglich, die Uhr auch noch nachts zum Schlaftracking zu nutzen…

Weitere Funktionen

Fangen wir mal zur Abwechslung mit den Sachen an, die echt gut funktionieren - immerhin bin ich ja auch deshalb etwas enttäuscht, weil ich einfach von Googles Flaggschiff mehr erwartet hätte, aber das Ding ist ja insgesamt okay.

Die Lesbarkeit des Displays ist gut. Für meinen Geschmack geht manchmal die Beleuchtung nicht automatisch an (ich nutze aber auch ein selbst rausgesuchtes Ziffernblatt, möglicherweise liegt es daran), aber grundsätzlich bin ich happy. Auch die Bedienung per Touch ist flüssig und die Geschwindigkeit passt.

Und das Ding macht insgesamt, was es soll. Benachrichtigungen kommen zuverlässig auf der Uhr an, können da direkt beantwortet werden, und für z.B. WhatsApp gibt es eine eigene App, so dass man auch Bilder und Sprachnachrichten nutzen kann, reagieren, ich kann Nachrichten auch proaktiv verschicken (während man auf Notifications logischerweise nur antworten kann, wenn etwas reinkommt). Gerade WhatsApp habe ich beim einem kleinen Roadtrip im Campervan lieber über die Uhr (an der lenkenden Hand) genutzt als über Android Auto bzw. das Telefon selbst. Dank LTE-Modul kommen die Nachrichten auch an, wenn das Handy ganz woanders liegt, und man muss z.B. im Urlaub, wenn man mit dem Hund zum Strand geht, gar kein Telefon mitnehmen. Und dank GooglePay auch kein Portemonnaie mehr.

Kalenderzugriff geht auch, aber: Ich habe auf meinem Smartphone mehrere Kalender, u.a. den meiner Frau (wird über mein Google-Konto reingesynct) und meinen Dienst-/Privatkalender (kommt über die Nine-App, das ist quasi ein besseres Outlook-für-Android). Und ich habe in der etwas versteckt zu findenden Konfiguration genau eingestellt, dass ich meinen auf der Uhr haben will, den meiner Frau nicht.  Egal, was ich da einstelle - er ignoriert es und zeigt mir die Termine meiner Frau an. Das nervt. (Und dass es grundsätzlich gehen muss, weiß ich von der Skagen Falster, da habe ich das ja auch so genutzt).

Also habe ich mir noch Outlook auf der Uhr installiert, und dazu zwingend auch Outlook auf dem Smartphone (natürlich noch eine App mehr mit permanenter Synchronisation, also Stromverbrauch), jetzt kann ich immerhin blättern und sehe irgend einen Termin (die Outlook-App zeigt mir manchmal auch einen von vor ein paar Tagen an und aktualisiert sich nicht immer freiwillig). Habe Zugriff auf meinen Posteingang (tut nicht weh). Und habe Zugang zum Kalender. Aber auch den evtl. mit Terminen von vor 1-2 Wochen, weil der sich nicht synct. Das könnte evtl. am Smartphone-Outlook liegen (dadurch, dass ich das nicht nutze, wird das vom Betriebssystem schlafen gelegt), aber macht das ganze unbrauchbar. Ach ja, keinen Zugriff habe ich auf meine anstehenden/fälligen Aufgaben: Während auf PC und Smartphone Microsoft mit der recht neuen "ToDo"-App das Thema Aufgaben prominenter machen will, hat man von der Uhr aus Zugriff nur über Apps von Drittanbietern (die mich bisher nicht überzeugt haben).

Benutzerführung

Ziehe ich von oben nach unten, klappen die Einstellungen, Flugmodus usw. ein; ziehe ich von unten nach oben, sehe ich die Benachrichtigungen - soweit klar. Von links nach rechts oder rechts nach links kann ich im Kreis die verschiedenen Screens durchblättern, also bei mir Outlook (willkürlicher Termin plus Icons für Kalender und Posteingang), Termine (leider nur die meiner Frau), Schrittzähler, Wetter, Stoppuhr. Rechts habe ich die Krone: Drehen im Ruhezustand ist wie Wischen von oben nach unten bzw. umgekehrt. Drücken führt mich in die Liste aller Apps, alphabetisch sortiert. Gedrückt halten bringt mich zu einem schnellen Menü, in dem ich die Uhr herunterfahren kann. Doppelklick bringt mich zu GooglePay. Soweit sinnvoll.

Und es gibt eine weitere Taste, drücken führt mich zu einer Liste der zuletzt verwendeten Apps, gedrückt halten zum Sprachassistenten, Doppelklick bei mir wieder (ist glaube ich konfigurierbar) zu GooglePay, dann brauche ich an der Kasse nicht nachdenken, welche der beiden Tasten ich doppelt klicken muss.

Aber, was ich etwas schwach finde: Wenn ich jetzt z.B. einen Taschenrechner, Spotify, Google Maps oder das Telefon öffnen will, geht das nur über Drücken der Krone und dann Blättern in einer doch recht langen Liste, in der ja auch zig Sachen stehen, die man eher selten mal braucht, aber dann nicht missen möchte. (Our Groceries als geräteübergreifende Einkaufsliste z.B.). Das ist unkomfortabel. Das geht besser, z.B. mit der kostenpflichtigen App "Launcher on Tile", die m.E. Pflicht auf jeder Pixel Watch sein sollte: Da kann man sich dann einen oder mehrere Screens machen (bei mir ist es einer, und der kommt nach Wetter und Stoppuhr, d.h. blättere ich die Liste in die andere Richtung, direkt als erstes), die jeweils eine Gruppe von ausgewählten Apps für den einfachen Start anbieten. Schade, dass Google sowas nicht von Hause aus schafft.

Ebenfalls schade ist, dass von Hause aus kein Browser mit drin ist. Zwar will ich nicht auf der Uhr wirklich surfen, aber einerseits für Funktionen wie SmartHome-Steuerung, Zeiterfassung o.ä., andererseits für die Nutzung von Hotel-WLANs (bei denen man Nutzungsbedingungen akzeptieren muss). Schade ist es deshalb, weil der Play Store durch seinen "Verkaufskiosk"-Look leider alles andere als übersichtlich ist So kann man zwar problemlos vom Smartphone aus Apps auf der Uhr installieren lassen, aber zum Deinstallieren muss ich auf der Uhr in den PlayStore und hoffen, dass ich einen guten Tag habe und den Weg hin zu meiner App und deren Uninstall-Knopf finde…

Fazit

Ich bin mit der Uhr "zufrieden". Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Missen möchte ich sie nicht. Glauben, dass irgend einer der schwärmenden Influencer das Ding jemals länger als eine Stunde in der Hand hatte, tue ich aber auch nicht. Denn dafür, dass das Googles Flagschiff ist (bzw. war ... wobei die Änderungen der Pixel Watch 3 auch nicht spektakulär sind), hätte ich doch deutlich mehr erwartet.

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