Mit Polestar und Diesel-Fan nach Hamburg

Eines schönen Oktober-Wochenendes verschlug es mich gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern nach Hamburg. Einer der beiden ist überzeugter Diesel-Fahrer und konnte sich daher gar nicht vorstellen, dass man auch elektrisch eine so lange Reise antreten kann - Herausforderung angenommen.

Gebucht habe ich bei Europcar wieder einen Polestar und nach den letzten Mieten bin ich davon ausgegangen, wieder den Audi E-Tron zu bekommen. War aber nicht so, dieses Mal hat Europcar wirklich einen Polestar 2 mit "Long Range Dual Motor" (Allrad mit 300 kW = 408 PS und 660 Nm Drehmoment, 455 km WLTP-Reichweite, 205 km/h Höchstgeschwindigkeit, 78 kWh Akku ... kurz: Ein schönes Auto!) beschafft. Und Spoiler: Auch dem Diesel-Fahrer hat's gefallen.

Das Auto

Den Polestar hatte ich ja vor rund einem Jahr schon mal von StarCar gemietet, der gefiel mir damals optisch sehr gut, aber die Bedienung primär per Touchscreen und Sprachsteuerung war nicht so meins.

Der von Europcar hatte das Plus-Paket (Harman Kardon-Soundsystem, Lenkrad- und Sitzheizung, Wärmepumpe, getönte Heckscheibe, Induktions-Ladepunkt, Panorama-Glasdach) mit dabei, kein Performance-Paket (macht trotzdem auch so schon Spaß) und leider kein "Pilot Lite-Paket" (und damit keine: 360°-Kamera und vor allen Dingen leider auch keine adaptiven Tempomaten). In meiner Wunschkombi (also mit zusätzlichem Pilot Lite Paket) liegt der Polestar 2 bei ganz knapp unter 60.000 Euro BLP und würde damit noch von der 0.25%-Regelung profitieren.

Bei letzten Mal hatte mich die 360° Kamera nicht überzeugt, dieses Mal hatte er gar keine. Die Heckscheibenheizung per Touchscreen (mehrere Hangriffe) oder per Sprachsteuerung (geht nur in Kombi mit der Windschutzscheibe) zu bedienen ist weiterhin total nervig, aber: Einige der wenigen Tasten im Cockpit ist für die Heckscheibenheizung, die habe ich dann dieses Mal auch gefunden.

"Das App-Prinzip", so dass man nicht mal sieht, was man gerade hört (oder welchen Radiosender man auf Knopfdruck jetzt eingestellt hat) ist unverändert. Aber mir ist zwischenzeitig aufgefallen, dass ich beim Skoda beim Wechsel des Radiosenders je nach Ansicht auch gar nicht sehe, was ich da eingestellt habe - und nicht vermisse, denn da schalte ich eh nur durch meine 4-5 Favoriten durch. Favoriten habe ich mir dieses Mal auch angelegt, und von da an machte auch das Radio Spaß.

Vor einem Jahr hatte mich die Verkehrszeichenerkennung gestört, die ist weiterhin leider Murks: Die funktionierte zwar gut, aber steuerte damals den Tempomaten nicht mit. Dieser Polestar hier hatte mangels "Pilot Lite"-Paket ohnehin nur einen dummen Tempomaten (also keine "acc = adaptive cruise control" mit Abstands-Erkennung zum Vordermann), darum bin ich lieber mit Speed Limiter rumgefahren. 

Der wiederrum reagiert auf die Verkehrsschilder (darum vermute ich mal, dass es der acc auch tun würde), allerdings, wenn man dann eine etwas schnellere Geschwindigkeit einstellt (Tempolimit 100 erkannt, und man erhöht den Speed Limiter auf z.B. 110 km/h), dann hat diese manuelle Einstellung ab sofort immer Vorrang. Das heißt, wenn dann als nächstes Tempo 80 kommt, dann regelt er nicht auf 80 runter (so wie es der Skoda tut), oder auf 80+10 (so fände ich es perfekt), sondern bleibt auf 110 km/h. Das können andere besser.

Letzter Kritikpunkt: Das Auto - trotz Wärmepumpe - war im Winter die erste Stunde innen sehr kalt von innen. Ob einfach die Heizung un-intuitiv ist oder der Vormieter irgend einen Mist verstellt hatte, wissen wir nicht , aber: Nach längerem Ausprobieren durch den Beifahrer wurde es irgendwann gemütlich warm. Haken wir mal als Bedienerfehler ab, von da an mussten wir nie wieder frieren.

Das Laden

Los ging es im rechtsrheinischen Köln, ich hatte den Akku über Nacht noch sicherheitshalber komplett aufgeladen, noch die Reisegruppe einsammeln, dann auf die Autobahn.

Am Rasthof Dammer Berge (das Brückenrestaurant, bereits mehrfach avisierter oder genutzter Rastplatz) dann die erste Frühstückspause. Die Beschilderung auf dem Parkplatz ist falsch (beim letztem Mal bin ich "nach Gefühl" gefahren, hätte ich dieses Mal auch besser getan), so drehen wir eine Ehrenrunde um den Parkplatz und kommen gerade noch rechtzeitig, um die letzte freie ionity-Säule zu belegen. Für unseren E-Auto-unerfahrenen Beifahrer etwas amüsiert: Die Position von Ladesäule, Fahrtrichtung, eingezeichneter leicht angeschrägter Parktaschen und Stecker am Auto passen halt nicht zusammen. So sieht man uns, aber auch manch anderes Auto dann mal eben völlig schief zur Beschriftung parkend, um an das (ja eher kurze) CCS-Kabel zu kommen.

Kaum waren wir angeschlossen, kam ein E-Tron GT, umundete uns, fuhr auf der anderen Seite zu der letzten freien Säule (EnBW TrippleCharger mit nur 50 KW-Ladeleistung) und fuhr wieder davon. Auch freitags morgens um halb 10 kann es schon mal eng werden mit den freien Ladesäulen.

Wir gehen rein ins Restaurant, und weil Nordsee und BurgerKing um diese Zeit noch geschlossen hatten, waren drei belegte Brötchen und drei Tassen Kaffee mit 29 Euro teurer als der Ladevorgang. Der hat 50 Minuten gedauert (unsere Reisegruppe war trotz kleinem Snack langsamer als meine Familie sonst auf Reisen), 65,71 kWh für 19,71 Euro geladen bedeutet, dass wir im Durchschnitt mit knapp 80 KW Ladeleistung geladen haben.

Nächster Halt ist dann schon Hamburg (und da das Mitarbeiter- und Besucher-Parkhaus der Firma New Work SE, besser bekannt als "Xing"). Die haben Ladesäulen von "Hamburg Energie" im Parkhaus, mangels RFID-Karte (nicht dabei) oder App (kein Empfang im Parkhaus) nehme ich das AdHoc-Laden per SMS (dafür reichte der Empfang so gerade) während unseres Programms und wir haben mehr als genug Strom für unsere weiteren Wochenend-Fahrten.

In der Nacht zu Sonntag laden wir voll, nicht ohne einen "Schulungsblock" für den Diesel-Fahrer:

  • Im Hotel-Parkhaus (Motel One Hamburg Alster) gibt es Ladesäulen, die sind aber von Verbrennern zugeparkt (sie waren aber eh noch nicht in Betrieb - vielleicht, wenn sie irgendwann kommen, gibt es auch eine Beschilderung). Für solche Fälle habe ich theoretisch ja den JuiceBooster mit einem 10m-Verlängerungskabel dabei (dieses Mal nicht, weil Mietwagen), und ausnahmsweise hätte der hier auch funktioniert, weil es Ladesäulen mit Buchsen sind (während ganz oft im Hotel angeschlagene Kabel sind, die man natürlich nicht verlängern kann)
  • Vor dem Hotel gab es ein paar Meter weiter aber wieder Hamburg Energie-Säulen. Ein Stellplatz war von einem holländischen Tesla belegt - "wie ist der bitte da reingekommen?". Auch hier: Parkbucht, Säule, Fahrtrichtung und Auto passen nicht zusammen, als E-Auto-Fahrer darf man nicht zu ängstlich sein und muss auch mal auf einer Hauptverkehrsstraße rückwärts eine 270°-Kurve einparken, wenn man laden will.
  • Ein zweiter Stellplatz war von einem E-Tron zugeparkt - "aber der lädt ja gar nicht?". Stimmt. Aber Hamburg hat das wohl mit der Beschilderung nicht so drauf, die Parkflächen sind ausdrücklich für Fahrzeuge mit E-Kennzeichen ("Steckerauto-Verkehrsschild") vorgesehen ohne Bedingung, dass diese laden müssen. Der E-Tron darf sie also legal zuparken, während der Tesla durch sein holländisches Nicht-E-Kennzeichen da streng genommen nicht hätte parken dürfen.
  • Und unser Stellplatz war auch gut eng. Der Polestar wird hinten link eingesteckt, das Kabel (ich hatte ja meinen JuiceBooster als Backup nicht dabei) ist auch nicht das längste, d.h. ich musste entweder vorne "ganz knapp" (man könnte auch sagen, dagegenstoßen) an die Säule bzw. ihren Gegenfahrschutz ranfahren. Oder ich hätte auch eine 270°-Kurve machen müssen.

Also: Laden kann man schon überall, aber so richtig ausgereift geplant sind viele Standorte noch nicht.

Komplett voll geladen geht's Sonntag wieder zurück, dieses Mal wird es eine ionity-Säule am Autohof Lippetal, die wir mit etwa 5% (also 3-4 kWh) Rest-Strom erreichen. Die Tage zuvor hatten wir insgesamt (Dammer Berge + 2x Hamburg) 173,31 kWh nachgeladen, und vor der Abfahrt in Köln war der 78 kWh-Akku ja randvoll. Heißt: Wir haben bis dahin etwa 210 kW/h Strom verbraucht, für bis dahin gefahrene 840 km wäre das ein Durchschnittsverbrauch von 25 kw/h auf 100km. Bei überwiegend höchstmöglicher Reisegeschwindigkeit, 3 Personen und Gepäck und winterlichen Temperaturen.

Bei diesem McDonald's-Stopp sind wir dann noch langsamer als sonst, nach 53 Minuten und 72 kw/h war das Auto quasi auf fast 100% geladen, was so gerade für den kompletten Rückweg (Reisegruppe absetzen, Tochter abholen und Montags das Auto wieder zur Europcar bringen) von nochmal ziemlich genau 300 km so gerade gereicht hätte (weil ich das Auto aber nicht im "Panik, Akku leer"-Modus bei Europcar auf den Hof stellen wollte, habe ich vor der Rückgabe nochmal eine Stunde knapp 12kW/h zuhause nachgeladen).

Insgesamt (erwartungsgemäß) eine stressfreie E-Auto-Fahrt, das musste sogar der überzeugte Diesel-Fahrer zugeben. Und ein Auto, das mir noch besser gefallen hat als beim letzten Mal.

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