Reisen mit einem Vollstromer

Es wird mal wieder Zeit für unspektakuläre Erlebnisse, wie es ist, mit dem Stromer durch die Gegend zu fahren. Aber unspektakulär heißt nicht, dass es immer perfekt ist.

Ziel 1: Hessen

Reiseziel Nr. 1 war eine Dienstreise nach Hessen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ernsthaft zu erreichen. Am Tag vorher war ich mit meiner Tochter nach einem Sportfest bei McDonald's und da am Schnelllader (ist günstiger als die normale Ladesäule der Stadt Köln), und cooles Feature: Man kann sich App-Bestellungen auch direkt auf den Parkplatz bringen lassen, so dass man bei 35 Grad Außentemperatur schön klimatisiert warten kann. Und das Auto war dann eben auch voll genug für die erste Etappe.

Sonntags mittags dann los auf Dienstreise, erster Halt unser Düsseldorfer Rechenzentrum, und während ich mehrere Stunden ein paar Server eingebaut habe, hat das Auto an der Säule der Stadtwerke Düsseldorf die 100% erreicht. So ging es dann voll ins hessische Bad Wildungen. Sonntagabend, erfrischend wenig Verkehr und Tempolimits, ich habe den KIA im Sportmodus getreten und wenn möglich >200 km/h gefahren und konnte auf den rund 230km Fahrstrecke zugucken, wie die Reichweite sinkt. Vermutlich hätte es bis zum Ziel gereicht, aber irgendwann kam der Hunger, und so habe nochmal geladen. Einfach weil ich eh irgendwas essen musste.

Am Ziel hätte ich im Hotel laden können, noch einfacher (und für den Kunden günstiger) war fußläufig entfernt im Parkhaus des Kunden. Mit vollem Auto dann Mittwoch Abend wieder zurück nach Köln (rund 230 km), mit ordentlich Stau, der die Reisegeschwindigkeit begrenzt hat. Ohne Pause ging es nicht, aber weil ich da ewig im Stau gestanden habe, hatte ich keine große Auswahl und habe einen (immerhin sauberen) Parkplatz mit WC genommen, aber eben ohne Ladestopp - ging auch.

Fazit: Gegenüber einem Verbrenner habe ich keine Minute länger gebraucht (geladen habe ich da, wo ich eh geparkt habe. Oder bei einer Pause, die ich haben wollte). So muss es sein.

Reiseziel 2: Hamburg

Zwei Tage ging es privat nach Hamburg, Flixtrain hatte unsere gebuchten Züge storniert und so waren wir bei der Hitze auch gar nicht böse, mit dem KIA fahren zu müssen. Auf dem Hinweg freitages hatten wir es etwas eilig (Verabredung mit Freunden), also Sportmodus rein und >200 km/h, wo es geht. Gereicht hat der Akku bis zum Autohof Vechta, das sind rund 25-30 km später als wir zu Skoda Enyaq-Zeiten rausgefahren wären (da waren Neuenkirchen-Vörden oder Dammer Berge unsere üblichen Stopps), und das bei deutlich höherer Reisegeschwindigkeit. Restaurant geschlossen, die Tankstelle wirkte trostlos, aber Klo, einen Snack und ein Eis waren möglich, und danach ging es auch direkt weiter. 

Ankunft früher als gedacht in Hamburg, und netterweise eine Ladesäule direkt vor dem Restaurant, so dass wir weitere Fahrten am Wochenende noch Strom hatten. Übrigens parkt man mit E-Auto in Hamburg kostenlos, an den Parkscheinautomaten genügt eine Parkscheibe, und bei Direktzahlung per SMS an die Stadtwerke gibt es keine Blockiergebühr an den Ladesäulen. Toll!

Unsere Ferienwohnung war in Finkenwerder (in Nähe zu Airbus) und hatte eine Wallbox, ich hatte sogar wie oft auf solchen Tripps den JuiceBooster dabei (mit Verlängerung und Typ2-Aufsatz habe ich damit ein 16m langes Ladekabel). Spontan gefragt, "kein Problem, 40 ct/kwh", aber: Die Ladekarte, die uns die Vermieter dann hingelegt hatten, war mechanisch beschädigt, die Wallbox reagierte nicht. Schade.

Also: Sonntags mit etwa einem 30% vollen Akku nur gestartet und erstmal in Gyhum am Autohof "Bockel" raus, da hat man die Auswahl zwischen Aral pulse, Shell und EWEgo, während man bei McDonald's, KFC und in unserem Fall Subway essen kann. Als wir vom Essen zurückkamen hat das Auto den Ladevorgang in dem Moment automatisch beendet. Der volle Akku hat dann bis Kamen gereicht (länger hätte es auch die Blase meiner Frau nicht geschafft), da hat IONITY in einem Industriegebiet ordentliche Ausstattung und einen ganz brauchbaren Bäcker, der eben auch sonntags auf hat. Sofern ich dann noch IONITY lade (hängt vom Preis ab, mein Gratis-Jahr KIA CHARGE ist ja jetzt bald vorbei) ist das auf jeden Fall ein Ladepunkt, den man sich für zukünftige Reisen merken kann. Rein vom Laden her hätte eine reine Pinkelpause gereicht, aber uns war nach einer richtigen Kaffeepause, so dass das Auto dann in Köln auch nicht direkt wieder leer war.

Hinfahrt waren viereinhalb Stunden (davon eine knappe halbe Stunde Pause). Rückfahrt waren sechseinhalb Stunden, davon 45 Minuten Pausenzeit. Hinfahrt war sehr angenehm, die Rückfahrt immer noch besser als im Flixtrain ohne Klimaanalage gewesen wäre. Und unter Elektro-Aspekten: Trotz dass wir die Rückfahrt leer angetreten haben, haben wir eigentlich nie auf das Auto gewartet, sondern das Auto immer nur auf uns.
 

Endgegner: Bayern

Euphorisch von den vorherigen Erlebnissen ging es dann zwei Wochen später dienstlich zunächst nach Augsburg, dann weiter nach München und wieder zurück.

Meine Frau hatte das Auto zwei Tage vorher abends an den Strom gehängt, aber es hat (unbemerkt) einfach nicht geladen. Am nächsten Morgen ist mir das gleiche passiert, erst beim erneuten Ein- und Ausstecken startete der Ladevorgang. Kein Drama, ich hatte ja noch einen Tag Puffer (und beim eigenen Auto sieht man ja in der App, dass er nicht lädt). Aber könnte in einem anderen Setting auch stressig werden, wenn man das Auto über Nacht an den Strom hängt und dann leer startet.

Egal. Voll geladen bin ich vorbei an Bensheim: Der dortige Autohof mit Aral Pulse- und EWE Go-Säulen, McDonald's, PizzaHut, KFC, einem Asia- und 400m weiter einem sehr guten Metzger-Imbiss war zu Skoda-Zeiten mein Favorit, der KIA hat den noch 60km weiteren IONITY-Lader Bruchsal West erreicht. Geladen bis 90% (eingestelltes Ladelimit), Pause bei Burger King (rein von der Dauer meiner Pause hätte der KIA noch 2-4 Prozentpunkte mehr laden können). Danach folgten anderthalb Stunden Stau und dazwischen immer wieder lange Strecken, in denen man die Höchstgeschwindigkeit wirklich kilometerlang ausfahren und sich den Stau-Frust austreiben konnte, die Reichweite ging natürlich ordentlich runter. 

Theoretisch hätte ich es trotzdem bis zum Ziel geschafft, aber Pipi-Pause, ein Eis essen und im Hotel nicht komplett leer anzukommen (falls da beim Laden was schiefgeht) ist ja auch ganz nett. Also in Günzburg nochmal raus. Leider waren die 300 KW-Lader defekt und es war ein Alpitronic 150KW zur Verfügung, an den sich dann während meines Aufenthaltes noch ein ID7 gehängt und uns beide auf 75KW Ladeleistung runtergezogen hat. Nun, ich wollte eh nur eine kurze Pause machen und brauchte nicht zwingend lange laden, also egal. 

Im Hotel angekommen habe ich auf 80% aufgeladen (am nächsten Tag musste ich ganztags beim 5km entfernten Kunden in der Sonne parken, das wäre für einen knall-vollen Akku unnötiger Stress). Abends dann rund eine Stunde weiter bis München, kurz vor dem Ziel bei einem ALDI angesteckt (ad hoc-Kartenleser leider kaputt, darum etwas teurer als nötig mit KIA Charge-Karte geladen) und in dem Wohngebiet eine kleine Abendessenspause gemacht.

Und am nächsten Morgen dann zum nächsten Termin. Mit einem schönen Beispiel, warum sich Elektromobilität in Deutschland selbst im Weg steht: Ich hätte direkt vor der Haustür laden können (vier Ladesäulen, den Tag über nur eine kurz belegt). Dann wäre ich ultra bequem mit 100% Akku gestartet. Aber ich hätte entweder tagsüber umparken müssen, oder 30-80 Euro Blockiergebühr zahlen, denn offensichtlich sind die Roaming-Preise der Stadtwerke München so hoch, dass meine beiden Hauptkarten (Octopus Energy - keine Blockiergebühr. Und EnBW mobility+ ehemals ADAC, Blockiergebühr auf 12 Euro gedeckelt) dort nicht funktionierten, und die KIA Charge-Karte ist zum Lade-Parken leider ungeeignet teuer.

Also abends mit unnötig schwachen 70%, aus München raus, irgendwann nach einer Stunde oder so (vom Akku viel zu früh, aber der Körper wollte) am Rastplatz Köschinger Forst an den McDonald's, Klo, kleiner Snack, Eis und dort nebenbei auf fast 100% nachgeladen. Und dann wieder auf die Bahn und wie auf dem Hinweg auch: Vollgas, wo es nur ging.

Nächster Halt war dann das rund 230 km entfernte Wertheim. Sinnvoll und vom Akku schaffbar wäre eigentlich ein paar Kilometer weiter IONITY am Rasthof Spessart gewesen (den ich von meiner allerersten Fernreise kannte), aber ich musste auf Klo, ich hatte keine Lust auf diesen trostlosen Rastplatz und im Industriegebiet Wertheim machte mich der Ladepark HomE of Mobility mit immerhin 18x 300 KW neugierig. Tagsüber sicherlich ein cooler Stop: WC, Sitzgelegenheit, Getränkeautomat, Snacks, und teilweise auch Alpitronic-"Solo"-Ladesäulen mit 300 KW, wo sich keiner danebenstellen und Leistung klauen kann. Aber es war spätabends, da war die Tür zu und das Licht aus, also musste ich für's Klo dann fünf Minuten zum McDonald's laufen.

Und während ich dort beschäftigt war, kam eine Push-Nachricht vom Auto, dass der Ladevorgang beendet wurde - bei 76% SOC. Was soll das? Alle Versuche, vom Klo aus den Vorgang neu starten, schlugen fehl (die Säule besteht darauf, dass man das Kabel einmal trennt und neu einsteckt). Also zurück zum Auto, den nächsten Film in der ARD Mediathek ausgewählt (TATORT o.ä. in Audiodeskription - also die Fassung für Blinde, wo ein Sprecher dann die Handlung erklärt - sind mein liebstes Entertainment auf Strecken, zumindest bei moderaten Geschwindigkeiten und Tempomat) und nach einem Ladestopp, der von der Länge für 100% gereicht hätte, mit dreiviertel vollem Akku weiter.

Das letzte Viertel fehlte mir dann hintenraus. Höhe Limburg musste ich dann nochmal nachladen. Mein eigentlicher Lieblingsspot dort ist Fastned, da kann man dann noch in der L'Osteria essen gehen bzw. hat auch noch mehr Gastronomie um sich rum. Aber irgendwas hat mir gesagt, ich soll weiterfahren (nachdem ich unsinnig in Wertheim schon deutlich teurer geladen habe, obwohl ionity nicht so weit weg war, hatte ich irgendwie auf Fastned keine Lust und Hunger um 23 Uhr sowieso nicht).

Also zog es mich weiter zu EnBW am Globus. Tagsüber vermutlich auch eine gute Gastro-Alternative. Nachts eine Zumutung: Das KIA-Navi schickt mich am Rastplatz Limburg Ost raus, navigiert mich durch eine Wand aus parkenden LKWs zu einer verbotenen Abkürzung (womit ich kein Problem hätte. Aber die war abgesperrt). Am Rastplatz steht ein trauriger 50 KW Tripplecharger (das ist kein Schnelllader, das ist Elektroschrott). Also wieder rauf auf die Autobahn, direkt die nächste runter, ein paar Mal im Kreis und dann stehst Du einsam auf auf einem Supermarktparkplatz. Also so einsam wie ein Parkplatz nähe der Autobahn ist, auf dem Trucker den Motor über Nacht laufen lassen zwecks Klimaanlage und auf dem Jugendliche sich zu verschiedenen Aktivitäten im oder mit dem Auto treffen. Und wirst begrüßt vom roten Störungs-LED fast aller Ladesäulen auf dem Parkplatz. Aber immerhin, ein Doppel-Alpitronic war (wie auch zuvor ja im Navi abgefragt) verfügbar und hat wie gewünscht funktioniert. Nach einer kurzen Runde über den Parkplatz (mit etwas unbehagen) habe ich mich dann im Auto eingeschlossen und den nächsten Spielfilm angefangen. 

Am Ende war die Fahrt okay, auch gemessen an der Entfernung. Aber ich hätte mit etwas Pech auf dem Hinweg nicht bemerkt, dass ich morgens leer starte. Ich hatte (wegen dämlicher Tarifstruktur) nicht voll geladen die Rückfahrt antreten können. Und Ladestopps nachts sind wirklich entlang der Autobahn kein Highlight. Wer jetzt E-Autos gegenüber sowieso skeptisch ist, der wäre nach den Erfahrungen vermutlich genervt.

Die Bayern-Tour in Zahlen

Alles zusammen hat der Bayern-Tripp rund 220 Euro gekostet für rund 1.200 Kilometer Fahrstrecke, das macht 18,30 Euro/100 km. Geladene Strommenge knapp 350 kWh, das entspricht 29 kWh Durchschnittsverbrauch auf 100km - das ist eine Menge, aber ich bin schon lange nicht mehr so lange Strecken konstant >200 km/h gefahren, das hat den Verbrauch natürlich ordentlich in die Höhe getrieben. Hat aber Spaß gemacht :-)

Die Fahrzeit selbst habe ich nicht gemessen, aber Google Maps schätzt 12 Stunden, ich habe mehr als zwei Stunden durch Stau verloren. Ladepausen entlang der Autobahn waren insgesamt 5 Stück mit einer Pausenzeit von insgesamt knapp zwei Stunden. 

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