Der BMW Navigator VI

Mit meiner Entscheidung für eine BMW GS Ende 2019 war auch die Frage, was tun in Sachen Navigation: Braucht man den BMW Navigator IV? Was kann die Connected App? Oder behalte ich besser mein TomTom Rider?

Eine Recherche im Vorfeld war gar nicht mal so einfach. Nicht, dass man nicht tausend Beiträge in Foren finden würde. Aber zwischen BMW Navigator-Nutzern, und ehemaligen Nutzern, die z.B. auf TomTom umgestiegen sind, herrschen teilweise Umgangsformen schlimmer als in den Anfängen von iPhone-vs-Android.

Ich versuche mich daher an einem etwas neutraleren Vergleich (in mehreren Episoden).

Heute also: Der BMW Navigator VI von BMW/Garmin

Der Navigator an der alten und neuen GS

Ein paar Jahre die Zeit zurück gedreht war der BMW Navigator VI (und wohl auch sein Vorgänger), technisch aus dem Hause Garmin, ein absolutes Must-Have auf der damaligen GS. Ein für damalige Verhältnisse ordentliches Navi, 

  • mit durchdachter Halterung (ab Werk vorbereitet, Stromversorgung, "spontan klauen"-Schutz passend zum Zündschlüssel),
  • Fernbedienung ("Mutliwheel-Drehrad") vom Lenker aus,
  • Steuerung von Telefonanrufen und Mediaplayer
  • und Bordcomputer-Anzeigen 

Kurz: Das Ding brachte Hightech ins Motorradcockpit. Damals hätte ich keine Sekunde gezögert: Jedes andere Navi mag noch so gut in der Navigation sein, aber der BMW Navigator ist halt mehr.

Doch mit Modelljahr 2018 machte BMW bei der damals noch R1200GS einen "Quantensprung" (Zitat Motorrad-Magazin), inzwischen längst serienmäßig kommt die GS mit einem 6.5 Zoll großen TFT-Farbdisplay statt analogem Tacho. Und dieses TFT

  • wird bequem vom Lenker (Multiwheel-Drehrad) fernbedient,
  • steuert Telefonanrufe und Medienwiedergabe
  • und ist ein großer Bordcomputer

Und nebenbei: Es ist richtig gut. Damit ist das "Mehr", das der BMW Navigator bietet, hinfällig geworden. Besser noch: In Kombination mit der "BMW Connected App" für's Smartphone bietet das TFT eine einfache Navigationslösung (zu der mache ich noch einen separaten Beitrag) an, d.h. selbst in der Hauptaufgabe "Motorradnavi" kann man sich schon fragen, ob man den (sehr teuren) BMW Navigator braucht.

Dazu kommt, dass (leider) die beiden Systeme getrennt voneinander arbeiten (sie teilen sich nur - umschaltbar auf Knopfdruck - das Multiwheel). Ich habe ein "entweder-oder" bei der Frage, welches der beiden Systeme ich mit Helm+Smartphone paire für Anrufsteuerung und Mediaplayer. Und auch die beiden Navigationssysteme laufen konkurrierend nebeneinander, ich kann nicht den BMW Navigator für die Routenführung nutzen und mir auf dem TFT nebenbei Tankstellen entlang der Route anzeigen lassen o.ä.

Entsprechend kritischer muss man sich heute Vor- und Nachteile des BMW Navigator VI angucken. Denn wenn der einstige Vorteil "Integration ins Bike" gar kein wirklicher mehr ist, dann ist die Frage, was kann der Navigator VI besser als Produkte anderer Hersteller, aber auch als das günstigere und viel neuere Garmin zumo XT.

    Vorteile des Navigator VI

    Versucht man rauszufinden, was der Navigator VI kann, dann stößt man sehr schnell auf eine treue Fangemeinde, die (leider, das grenzt schon ein bisschen an Stockholm-Syndrom) das Ding in den Himmel lobt. So kann der z.B. mit alternativem Kartenmaterial, z.B. OSM-Karten bestückt werden. (Fragt man dann nach, wofür man das braucht: Das Garmin-Kartenmaterial ist Mist). Und auch das Fehlen von Funktionen (z.B. kann man vorher am PC geplante Routen nicht drahtlos per WLAN oder Bluetooth draufkopieren) ist in den Augen mancher kein Mangel, sondern ein Sicherheitsfeature: So würde man spätestens abends bei der Planung des nächsten Tages bemerken, falls man das Navi auf dem Motorrad vergessen hat.

    Ähm ja. Wenn man da mal durchsiebt, dann bleibt an wirklichen Vorteilen übrig:

    • Wer seine GS nicht im Straßen-Alltag nutzt, sondern wirklich offroad fährt, Teile vom TET Trans Euro Trail z.B., durch Wüsten o.ä., der wird um Garmin-Produkte nicht drum herumkommen, denn der Mitbewerber TomTom "kann nur auf Straßen fahren" (siehe auch den Beitrag Track vs. Route)
    • Wer (womöglich ebenfalls offroad) gerne frei fährt (und sich einfach nur den angedachten Track einzeichnen möchte), ist mit Garmin auch gut bedient
    • Die Planung einer Reise erfolgt über die Windows-Software "Basecamp" und ist sehr detailliert möglich
    • Es gibt die Möglichkeit, seine Positionsangabe (via Bluetooth-Internet) mit anderen Geräten auszutauschen, damit man seinen Tourenpartner auf der Karte sieht (etwas, was ich bei TomTom vermisse)
    • Man kann dank Multiwheel komfortabel während der Fahrt rauszoomen und sich selbst einen Eindruck verschaffen (ist es nötig, in den Ort reinzufahren? Oder bleibt man besser auf der Umgehungsstraße)?

    Nachteile des Navigator VI

    Die Recherche nach den Nachteilen ist keineswegs einfacher. Man findet sie meistens in Beiträgen ehemaliger Nutzer, und das geht immer einher mit Flüchen, was für ein großer Mist der Navigator doch war - der Schmerz, früher für teures Geld den Navigator besessen zu haben und damit nicht zufrieden gewesen zu sein, sitzt offenbar tief. Da ich das Gerät nie getestet habe, Disclaimer: Nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert.

    Erstmal die wesentlichen Haken zum Gerät selbst:

    • Das Gerät ist sehr langsam, insbesondere Neuberechnungen nach Falsch-Abbiegen dauern wohl teilweise mehrere Minuten
    • Das Ding ist (gemessen an der Hardware-Aktualität: Unverschämt) teuer
    • Die Datenübertragung zum PC ist ausschließlich per Kabel oder Speicherkarte möglich (kein WLAN, kein Bluetooth). Übertragen einer Strecke an einen baugleichen Navigator (Tourenpartner) ist immerhin per Bluetooth möglich, aber wohl weder schnell noch besonders "stabil"
    • Bei vielen Geräten reagiert das Gerät wie von Geisterhand auf nicht vorhandene Touchscreen-Eingaben und wird dadurch unbenutzbar (siehe dieses oder dieses Video zum Thema "Ghosting"). Seit 2021 gibt es eine neue Modellversion, in der Fangemeinde wurde das "endlich gelöste Ghosting-Problem" und nebenbei die "viel schnellere Hardware" gefeiert, aber belastbare Belege für das eine oder andere habe ich keine gefunden.

    Dazu die Bedienung:

    • Die Planung per Basecamp ist komplex und erfordert eine größere Einarbeitungskurve (siehe hierzu auch das Thema "Track vs. Route" und die Problematik zu viele vs zu wenig Wegepunkte)
    • Bei "falscher Bedienung" in Kombination mit einer genau geplanten Strecke läuft man Gefahr, dass ein einziges Falsch-Abbiegen (Umleitung o.ä.) dazu führt, dass das Gerät eine komplett neue Strecke errechnet
    • weshalb sich viele rein für die Darstellung eines Tracks entscheiden.

    Fazit

    Damit ist mein Fazit eindeutig: Der BMW Navigator VI ist für mich durchgefallen. Der Vorteil der Lenkersteuerung gleicht für mich die Nachteile nicht aus. Ich würde viel Geld für ein Gerät ausgeben und mich bei jeder (langsamen) Neuberechnung oder bei jedem "Gerät rausnehmen, um es per Kabel zu bespielen" über die veraltete Technik ärgern.

    Wer Basecamp-Planung mag und auf die Bedienung mit dem Drehrad verzichten kann, sollte sich das "Garmin zumo XT" (Testbericht) angucken. Die Integration ins Bike beschränkt sich dabei aber leider nur mögliche Adapter-Halterungen (so dass es in die BMW-eigene Halterung passt), eine separate Lenkerfernbedienung gibt es leider auch nicht (die zu montieren wäre sonst eine interessante Option), d.h. dann hat man (leider "nur") ein sehr gutes Navi.

    Wer ein gutes Navi für den Straßen-Alltag braucht, ist auch mit jedem anderen Hersteller gut, vielleicht sogar besser bedient. Insbesondere das Konzept "Abfahren eines Tracks" bei TomTom gefällt mir besser. Im Offroad-Einsatz mag das anders aussehen, meine GS bekommt aber maximal nur eine Camping-Wiese zu sehen.

    Der Navigator VI bietet für seinen hoch immer noch gehobenen Preis eine zu alte Technik (langsam, keine drahtlose Datenübertragung) verbunden mit einer hohen Lernkurve für die richtige Bedienung.

     

    Aus der Reihe: Motorradnavigation auf der BMW GS

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