Track vs. Route

Mit meiner Entscheidung für eine BMW GS Ende 2019 kam die Frage auf, was tun in Sachen Navigation: Braucht man den BMW Navigator IV? Was kann die Connected App? Oder behalte ich besser mein TomTom Rider?

Eine Recherche im Vorfeld war gar nicht mal so einfach. Nicht, dass man nicht tausend Beiträge in Foren finden würde. Aber zwischen BMW Navigator-Nutzern, und ehemaligen Nutzern, die z.B. auf TomTom umgestiegen sind, herrschen teilweise Umgangsformen schlimmer als in den Anfängen von iPhone-vs-Android.

Ich versuche mich daher an einem etwas neutraleren Vergleich (in mehreren Episoden).

Heute erstmal: Grundlagen Track vs. Route

Route

Eine Route entsteht durch Planung und Berechnung.

Planung:

  • Ich starte in München
  • Ich möchte nach Hamburg
  • Ich möchte in Bremen einen Zwischenstopp zum Mittagessen machen
  • Die grobe Richtung soll mich über Nürnberg / Frankfurt / Hannover führen.

Berechnung: Diese Daten gebe ich jetzt in mein Navi (oder in meine PC-Planungssoftware) ein und dann wird per Software die Route errechnet.

Nürnberg/Frankfurt/Hannover gelten dabei als weicher Wegepunkt (die sollen die Richtung vorgeben, aber ich will da nicht durch die Stadt durchfahren). Jeder Hersteller geht damit anders um, bei Garmin (= BMW Navigator) sind das m.E. die sog. Shaping Points. Bremen hingegen ist ein fester Wegepunkt, auch Zwischenziel genannt, da will ich anhalten. Gerne auch mit der Option, auf Knopfdruck diesen Wegepunkt zu überspringen (falls ich so spät dran bin, dass ich mir den Umweg sparen will).

Und den Teil dazwischen errechnet sich das Navi entsprechend meiner Routingkriterien (Autobahnen vermeiden, kurvige oder schnellste Route, ...).

Komme ich unterwegs vom Weg ab, dann wird das Navi möglicherweise eine komplett andere Streckenführung errechnen als ursprünglich geplant. Aber es wird an dem groben Plan festhalten (also bei der Neuberechnung den nächsten Wegepunkt als Zwischenziel ansteuern).

Je mehr dieser Wegepunkte (ob weich oder nicht - je nach dem was das Navi überhaupt kann - ist erstmal egal) ich habe, desto genauer verläuft die Route so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Aber je mehr Arbeit hat das Navi auch in der Berechnung, weshalb bei vielen Produkten die Anzahl der Wegepunkte limitiert ist. 

Und nicht zu vergessen: Wir wollen ja Motorradfahren und folglich nicht Autobahn. Wenn wir in unserer PC-Planungs-Software also die Route noch an der ein oder anderen Stelle verschieben, dann muss diese Planungssoftware das ja irgendwie auch speichern (damit das auf dem Gerät auch ankommt und berücksichtigt wird). Und das passiert ganz oft, in dem die Software beim Export noch mehr Wegepunkte einbaut. 

Track

Ein Track entsteht nicht durch Planung, sondern durch's Fahren. Ich fahre irgendwo lang, eine Software meiner Wahl protokolliert die GPS-Koordinaten (setzt alle z.B. 500m eine Markierung), und wenn ich diese Einzelkoordinaten miteinander verbinde, dann sieht man meine Fahrstrecke.

Während die Route also entlang des Straßennetzes berechnet wird, wird der Tracks einfach anhand von Punkten eingezeichnet, er lässt sich komplett ohne Kartenmaterial visualisieren. Und wenn ich dann trotzdem noch eine Karte in die gleiche Ansicht einbinde, dann sieht man auch exakt, wo ich langgefahren bin.

Ein Track kann also in der Theorie gar nicht existieren, bevor man nicht die Tour abgefahren ist (denn der Track ist nur das "Tracking", also die Aufzeichnung einer abgefahrenen Route).

In der Praxis kann aber natürlich auch jede Navi-Planungs-Software eine Strecke virtuell abfahren und daraus den Track errechnen.

GPX-Datei (GPX Exchange Format)

Spätestens bei herstellerübergreifender Übertragung einer Strecke kommt dann meist eine GPX-Datei zum Einsatz. GPX ("GPS Exchange Format") ist eine XML-Datei mit

  • Waypoints (einzeln, nicht als Teil einer Strecke) ... können wir an der Stelle ignorieren
  • Route(n), bestehend aus Routepoints (entsprechen den im Abschnitt "Routing" beschriebenen Wegepunkten - mit denen könnte man über das Straßennetz dann die Wunschstrecke errechnen)
  • Track(s), bestehend aus Trackpoints, also den [real oder virtuell] abgefahrenen 500m-Markern, die ganz ohne Kenntnis des Straßennetzes die Wunschstrecke ergeben.

Je nach Navi und Verwendungszweck kann man das eine (Route) oder das andere (Track) importieren. Bei den typischen Anwendungszwecken

  • eine bestehende Tour (irgendwo heruntergeladene Empfehlung)
  • eine vorgeplante Tour in Calimoto, Kurviger, ... 
  • Übertragen einer Datei auf mehrere Geräte (z.B. Austausch mit Tourenpartnern)

ist der Track-Teil der GPX-Datei das Mittel der Wahl. Denn die ist um ein Vielfaches detaillierter und entspricht damit mehr dem Wunsch des Erstellers der Datei.

Routen entlang des Tracks vs. Routing des Tracks

Nachdem die Begriffe klar sind, kommt jetzt der grobe Philosophie-Unterschied zwischen Garmin (=BMW Navigator VI) und TomTom (= u.a. auch BMW Connected App).

Bei einem Garmin-Gerät

Habe ich einen Track (egal, ob wirklich als Aufzeichnung meiner letzten coolen Tour, oder als Ergebnis z.B. einer Calimoto-Berechnung), dann kann ich mir daraus eine Route errechnen lassen. Die Navigations-Software, also i.d.R. Basecamp denkt sich eine Route aus, die mich möglichst nah an diesem Track entlang führt. 

Daraus wird dann also wieder eine Route (mit Wegepunkten). Und die kann ich mir dann auf's Gerät übertragen. Aber:

  • Basecamp und das Gerät müssen hinsichtlich der Routingeinstellungen gleich sein. Logisch, denn: Wenn ich in Basecamp "Autobahnen vermeiden" einstelle, auf dem Gerät aber "Autobahnen bevorzugen", dann kommen jeweils zwischen zwei Wegepunkten völlig unterschiedliche Teilstrecken raus.
  • Gleiches gilt hinsichtlich Aktualität des Kartenmaterials usw.. Einfaches Beispiel: Basecamp setzt einen Wegepunkt auf die andere Seite des Berges, damit ich wunschgemäß einmal den Pass hoch und hinten wieder runter fahre. Das Navi aber ist vielleicht aktueller und kennt einen neu eröffneten Tunnel, schickt mich also aus seiner Sicht die sinnvollere Abkürzung. Hätte Basecamp auch gewusst, dass es da einen Tunnel gibt, hätte es einen Wegepunkt mehr (nämlich irgendwo auf der Passstraße) eingesetzt, um den Pass zu erzwingen. 
  • Je mehr Wegepunkte eingebaut werden, desto aufweniger ist die Routenberechnung am Gerät.
  • Je weniger Wegepunkte eingebaut werden, desto größer ist das Risko, dass wenn ich unterwegs abweiche (Umleitung o.ä.), das Gerät eine völlig andere Strecke zum nächsten Wegepunkt ermittelt.

Will man also eine Strecke (z.B. einen vorhandenen Track) relativ genau abfahren, womöglich sogar mit mehreren Leuten (alle gleich, damit - falls man sich unterwegs verliert - man auch wieder zueinander findet), erfordert das durchaus Erfahrung im Umgang mit den richtigen Einstellungen.

Die andere Option ist es, den Track einfach einzublenden. Dann wird der einfach wie eine farbige Linie auf der Karte angezeigt. Das Navi ist in dem Moment kein Navi mehr, sondern eigentlich nur noch eine elektronische Karte mit Textmarker-Markierung der Wunsch-Route.

Die kann dann genau so abfahren, wie man das möchte. Auch off road, wenn mir danach ist bzw. der Track da entlang führt. Und wenn ich irgendwo falsch abbiege, dann muss ich halt zusehen, wie ich wieder zurück zu der eingezeichneten Linie finde, aber ich sehe eben in der Karte, wo die Strecke langgegangen wäre (und wo ich bin).

Bei einem TomTom-Gerät

Auch TomTom bzw. dessen Planungssoftware "MyDrive" ist in der Lage, einen Track als Grundlage zu nehmen und dort eine Route zu errechnen. Im Prinzip sehr ähnlich zu dem oben genannten. Und auch hier mit einer Wissenschaft für sich, mit wie vielen Wegepunkten mal arbeiten will (zu viele ist nicht gut, zu wenig auch nicht). Und noch dazu mit (m.W.) dem Nachteil, dass TomTom keine "Shaping points" verarbeiten kann, also keine Nicht-Pflicht-Wegepunkte. Das heißt im schlimmsten Fall hat man dann so einen "Capture the flag"-Punkt auf seiner Tour, wo das Navi einen wieder in den Ortskern fahren will, nur damit man da einmal kurz eine Runde um den Marktplatz dreht und den Wegepunkt abhakt.

Kann man machen, braucht man aber nicht. Ein aktuelles TomTom-Navi (genauso wie die BMW Connected App) ist auch in der Lage, statt einer Route entlang des Tracks statt dessen den Track entlang zu routen. 

Das heißt: Das Ding errechnet einfach die Abbiegehinweise ("in 500m links abbiegen"), die nötig sind, damit ich den Track abfahre. Das geht von der Rechenleistung sehr schnell (es muss sich ja keine Strecke ausdenken, sondern nur den Track StVO-konform auf das Straßennetz packen und, sofern das Gerät die Infos im Abo hat, ein paar Umleitungen bei Streckensperrungen berechnen).

Falls man sich unterwegs verfährt, wird er versuchen, Dich wieder auf den Track zu ziehen (und zwar nicht zwingend da, wo Du ihn verlassen hast, sondern da, wo es am sinnvollsten ist). Auch das ist blitzschnell errechnet, denn egal wie viele hundert Kilometer die Tour noch geht, das TomTom muss ja nur den Teil berechnen, den man braucht, um wieder auf die Wunsch-Straße zurückzukommen. 

Bei dieser Methode ist es im Prinzip auch egal, wie die Routing-Einstellungen im Gerät sind - die kommen nur zur Anwendung, wenn man sich außerhalb des Tracks befindet, z.B. auf der Anfahrt zum Startpunkt. Also kann man sich mit "schnellste Route, Autobahn bevorzugen" zum Treffpunkt navigieren lassen und dann ohne Änderung der Einstellungen eine schöne Autobahn-frei geplante Strecke abfahren.

Das erlaubt es einem, einerseits den Track exakt so abzufahren, wie man das vorhatte. Ich öffne meine so geplanten Strecken oft auf mehreren Geräten, meinem eigenen TomTom, dem meines Tourenpartners, dazu noch der BMW ConnectedApp und noch nebenbei in einem GPX-Viewer (also wirklich einer reinen Track-in-Karte-einzeichnen-App) für einen schönen 2D-Überblick, und die Unterschiede in der Umsetzung sind wirklich minimal. Und andererseits ist es komfortables Routing mit Abbiegehinweisen, mit Kenntnis der Streckenführung, je nach Modell mit Berücksichtigung von Streckensperrungen usw. (denn ich bin der Meinung, dass man kein teures Navi kaufen braucht, um es danach als beleuchtete Karte mit eingezeichneter Linie, aber ohne Intelligenz zu nutzen).

Diese Variante ist also immer dann perfekt, wenn man einfach, aber verbindlich die angedachte Strecke abfahren will. 

Ein Beispiel

Der Einfachheit halber ein Beispiel:

Wir planen eine Strecke von Bonn (linksrheinisch, Haus der Geschichte) bis nach Koblenz-Ehrenbreitstein. Die sinnvollste Strecke ist, die B9 auf der linken Rheinseite den Rhein entlang nach Süden und in Koblenz dann über den Rhein zu fahren. Und genau so wollen auch fahren. Also - wir sind ja sparsam - machen wir auch keine weiteren Wegepunkte dazwischen (denn die brauchen wir ja nicht, die automatisch errechnete Strecke würde sowieso linksrheinisch verlaufen und uns erst in Koblenz über den Rhein führen).

Wir fahren los, und aber aufgrund irgend einer Großveranstaltung ist Bonn-Bad Bodesberg komplett gesperrt, in der Not fahren wir über die A562 über den Rhein und sind jetzt im rechtsrheinischen Oberkassel.

Wie verhalten sich die Navis jetzt?

  • Ein Garmin mit errechneter Route wird den nächsten Wegepunkt "Ehrenbreitstein" ansteuern. Und da wir jetzt sowieso schon rechtsrheinisch sind, Ehrenbreitstein auch, wird es mich entlang der B42 routen (also parallel zur eigentlich geplanten B9, aber eben rechtsrheinisch). Mit meiner eigentlich geplanten Route hat das nichts mehr zu tun.
  • Ein Garmin mit eingezeichnetem Track wird mir die B9-Strecke anzeigen. Ich fahre aber auf der anderen Rheinseite und wo und wie ich rüberkomme ist meine Aufgabe. Das Gerät assistiert mir nicht, aber zeigt mir zuverlässig die eigentlich geplante Route an
  • Ein TomTom, auf dem man den Track abfährt, wird mich zuerst noch versuchen, wieder zurück auf die A562-Brücke zu bringen. Wenn ich das verweigere (und auf eigene Faust nach Süden fahre), wird es bei jeder Fähre versuchen (Brücken gibt es auf dem Stück keine) mich über den Rhein zu führen. Denn es möchte, dass ich sobald wie möglich wieder auf meine Wunschstrecke komme (und die verläuft nun mal linksrheinisch), aber trotzdem gleichzeitig zum Ziel. Wo und wie genau die eigentliche Strecke verlaufen wäre, kann ich aber nicht erkennen.

Die Philosophie, die einem am besten zusagt, ist auch direkt eine Vorentscheidung für einen Hersteller.

Sonderfall: Offroad

Wer mit seinem Motorrad auch über Wiesen, Waldwege, durch Wüsten und Flussbette (oder auch nur irgendwas davon) fahren will, der sollte wissen:

Ein Garmin-Gerät (z.B. der BMW Navigator) zeichnet den Track auf der Karte ein und diese Linie führt dann eben auch querfeldein.

Ein TomTom-Gerät (also auch die BMW Connected App) macht den Track auf das Straßennetz passend. Man wird also irgendwelche Straßen entlang der gewünschten Wiese geführt, über die nächste Brücke statt durch das Flussbett, usw. - oder die Datei lässt sich gar nicht erst öffnen/importieren.

Für offroad-Einsatz ist TomTom ungeeignet!

Aus der Reihe: Motorradnavigation auf der BMW GS

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